Im September spielte im politischen Berlin auch aufgrund der Causa Maaßen alles verrückt. Was hier in der politischen Kommunikation durch alle Beteiligten falsch gemacht wurde verdient einen eigenen Blogpost. Aber: meckern kann im Nachhinein jede/r.
Quasi nebenbei wurde im September aber von unterschiedlicher Seite auch gezeigt, wie erfolgreiche Social-Media-Kommunikation in der Politik aussehen kann. Hier meine best of zu Elevator-Pitch 2.0, Sharepics für Haushaltsberatungen und Krisen PR, die hoffentlich Schule machen:
#1 Bewegtbild - aber richtig: Elevator-Pitch 2.0 mit der FDP
Elevator-Pitch 1.0: Katharina Barleys Social-Media-Redakteure suchten wohl erstmal einen Tag lang im ganzen BMJV den langsamsten Fahrstuhl. Hier nannte die Ministerin zuletzt am 21. September in 25 Sekunden die drei wichtigsten Punkte zum Wohnungsgipfel. Lobenswert: Untertitel. Erklärungen zum Inhalt? Fehlanzeige? Einen Link mit mehr Informationen zum Thema? Sucht man unter dem Tweet vergebens. Das ist nicht nur für eine dialogische Social-Media-Kommunikation schlecht, so wird das Pulver, das eigentlich im Elevator-Pitch für die Kommunikation mit den Nutzer*innen steckt, verschossen. Außerdem kommt Barley so nicht aus dem Kommunikationsparadoxon der Verkürzung heraus: die Medien geben ihr vielleicht auch nur 10-20 Sekunden um ihre Botschaften zu kommunizieren, aber wenn man das Format selbst produziert, dann muss man sich nicht selbst solche Beschränkungen auferlegen und die eigenen Inhalte hinten anstellen.
Elevator-Pitch 2.0: Das Social-Media-Team der Bundestagsfraktion der Freien Demokraten hat es geschafft den sogenannten "Elevator-Pitch" mit einem Upgrade wieder neues Leben einzuhauchen. Wichtigste Neuerung: Es wird etwas erklärt - das braucht natürlich etwas mehr Zeit und so fährt Frau Suding nicht nur einmal hoch, sondern sie fährt ein paar Mal mit dem Fahrstuhl. Gesamtdauer des Videos: 60 Sekunden, also 30 Sekunden länger als bei Frau Barley. So können die eigenen Inhalte effizienter kommuniziert werden, ohne sie zu stark zu verkürzen. Zweite wesentliche Neuerung: Durch Zwischenbänder wird das Format inhaltlich gegliedert und wirkt dabei weniger gehetzt. Dadurch bleiben auch die Botschaften die gesetzt werden besser hängen. Was auch hier noch besser geht: Untertitel einblenden, dann kann es auch unterwegs ohne Ton angesehen werden. Und: Einen Link zum Antrag/zur Homepage mit mehr Informationen vermisst man auch hier. Dennoch eindeutig ein best pratice im Monat September.
#2 Aufwachen vs. wegpennen: wie die Grünen die Haushaltsdebatte greifbarer machen
Irgendwann wird er in jedes Abgeordnetenbüro des Deutschen Bundestages geliefert: ein Karton von 5 kg Gewicht. Nach dem Auspacken merkt man, dass es sich nicht um sinnfreie Werbegeschenke eines Verbandes, sondern um die über 3.000 Seiten Haushaltsentwurf der Bundesregierung handelt. Mit Spaß hat die Arbeit damit dann nicht mehr viel zu tun. Umso schwerer fällt es den Fraktionen im Bundestag seit langem die politische Kommunikation zu der zähen Zahlenmaterie.
Die Grünen zeigen im September, wie man via Social-Media die drögen Zahlen und Tabellen in verständliche politische Botschaften übersetzt. Cem Özdemir nimmt dabei kreativ das Fahrrad als wichtigen Bestandteil der Verkehrswende mit der Grafik eines Rades in Anlehnung an die guten alten Kuchendiagramme in den Fokus. Das bleibt eher hängen als blanken Zahlen wie 98 Mio. Euro vs. 27 Mrd. Euro. Die Entwicklung der Haushaltsansätze zwischen 2018 und 2019 könnte man auch in "schönen" Tabellen oder Balkendiagrammen darstellen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Stefan Gelbhaar aus Berlin geht einen anderen Weg und überschreibt einfach sein Sharepic zum Haushalt 2018 mit Rotstift. Somit kann er die Botschaft "alles noch schlimmer" wirkungsvoll und einfach setzen ohne ein neues Sharepic produzieren zu müssen. Ich bin gespannt, wie sich in Zukunft auch die anderen Fraktionen an die zugegebenermaßen nicht ganz leichte Aufgabe machen und die Haushaltsdebatten im Social-Media begleiten.
Bildquellen: Titelbild = selbst geschossen; alle anderen Bilder sind Screenshots von Twitter.
#3 Next Level: Krisenkommunikation mit Jens Spahn
Jens Spahn polarisiert, so viel ist sicher. Und nachdem er mit Äußerungen zu Hartz IV oder zur Sprache in den Restaurants in Berlin bereits einige Böcke geschossen hat, sah es am 20. September so aus, als ob er seinen bisher größten Fehler in der politischen Kommunikation begangen hätte. In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen hatte der Gesundheitsminister die Debatte darüber geführt, unter welchen Bedingungen Pflegekräfte, die derzeit in Teilzeit arbeiten, eigentlich bereit seien mehr zu arbeiten. Aus einem Zitat des Interviews, das von einigen Medien verkürzt weiterverbreitet wurde, erregte sich in kürzester Zeit ein Shitstorm in den Sozialen Medien. Doch statt den Kopf in den Sand zu stecken oder zu versuchen am nächsten Tag in einem Leitmedium einen Gastbeitrag zu veröffentlichen, der das gesagte noch einmal einordnet, entschied sich Jens Spahn für etwas Neues: nur kurze Zeit nach dem Shitstorm postete er ein kompaktes Video (56 Sekunden), griff die Kritik und Empörung auf und machte seine Position zur Sache deutlich. Eigentlich wie aus dem Lehrbuch der Krisenkommunikation, aber eben auf dem Kanal, in dem der Shitstorm tobt, wo aber auch die eigenen Unterstützer verunsichert zuschauen und sich noch nicht in die Bresche werfen. Der Erfolg von über 67.000 Klicks für das Video gibt der Strategie von Jens Spahn recht. Seine Anhänger und Sympathisanten verbreiteten es rasant im Netz und der Shitstorm ebbte innerhalb kürzester Zeit ab. Ob das alle Minister der Bundesregierung so schnell und stilsicher hinbekommen hätten darf wohl bezweifelt werden.
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